Muss man sich beim unerfüllten Kinderwunsch wirklich entspannen oder spielt Stress keine Rolle?

Während meiner Kinderwunschzeit bin ich lange davon ausgegangen, dass Stress, Gedanken und Gefühle eher keinen Effekt auf die Chancen einer Kinderwunschbehandlung haben. So habe ich bei den ersten 3 ICSI Behandlungen auch eher versucht die Erwartungen niedrig zu halten. Besonders nach den ersten Fehlgeburten war ich von einer optimistischen Einstellung wirklich weit entfernt und habe gedacht, wenn es klappen soll, dann wird es schon klappen. Natürlich denkt man sich in solchen Situationen auch, dass Frauen in viel schwierigeren Situationen schwanger werden. So wichtig kann der Stress dann ja eigentlich nicht sein, oder? 

Hier kannst Du dir die Podcastfolge anhören:

Ganz so einfach lässt sich die Frage allerdings nicht beantworten, denn Stress wirkt im Körper in Form von Stresshormonen wie Cortisol und da im Hormonsystem des Menschen irgendwie alles miteinander zusammenhängt, hat eben auch der Stress auf viele andere Bereiche, wie z.B. das Immunsystem, ein Einfluss. 

Bei meiner 4.ICSI bin ich das Thema dann etwas anders angegangen. Erstmal war die lange Pause vor unserem 4.Versuch sicher ein Vorteil und ich hatte schon mehrere Monate Akupunktur bekommen, die mir ebenfalls sehr gut getan hat. Da ich bei diesem Versuch einfach alles anders machen wollte, hatte ich bei diesem Mal auch versucht hoffnungsvoll zu sein und eben nicht auf Nummer sicher zu gehen.   

Woran es nun wirklich gelegen hat, dass es bei diesem Versuch geklappt hat, wird man natürlich nie wirklich wissen.

Es gibt zu diesem Thema aber einige interessante Studien, die einen Zusammenhang zwischen Stressreduktion z.B. durch Verhaltenstherapie, Achtsamkeit, Meditation oder Akupunktur und eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit der Kinderwunschbehandlung nahelegen.

Studie 1

In der ersten Studie bekamen die Teilnehmer eine Kombination auf Verhaltenstherapie, Entspannungstraining und sozialer Unterstützung. Alle Studienteilnehmerinnen nahmen an einem 10wöchigen Gruppentraining vor, während und nach einer IVF Behandlung teil. In der Studiengruppe wurden 52% der Frauen schwanger. In der Kontrollgruppe, in der es keine stressreduzierenden Maßnahmen gab, wurden nur 20% der Frauen schwanger. 

Studie 2

Eine zweite Studie untersuchte den Effekt von Akupunktur und Stressreduktion auf die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit. Patientinnen, die am Tag des Embryotransfer eine Akupunktur nach der traditionell chinesischen Medizin bekommen hatten, wurden danach zu 64,7% schwanger. In der Kontrollgruppe waren 42,5% der Frauen schwanger. Neben der Verbesserung der Schwangerschaftsraten wurde von den Frauen auch angegeben, dass sie sich während der Behandlung allgemein besser fühlten. 

Studie 3 

Die dritte Studie beschäftigt sich mit dem „Medical Clowning“, also dem Einsatz von Clown-Vorführungen im medizinischen Kontext. Diese Studie überrascht wahrscheinlich am ehesten, denn es konnte gezeigt werden, dass Patientinnen, die nach einem Embryotransfer eine lustige Clown-Aufführung sahen, eine bessere Chance auf eine Schwangerschaft hatten, als die Patientinnen ohne Spaß nach dem Transfer. In der Clown-Gruppe wurden 36,4% der Frauen schwanger, in der Kontrollgruppe waren es  nur 20,2%.

Die Studien zeigen also durchaus, dass Stress bzw. Die Reduktion von Stress einen positiven Effekt auf die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit hat. 

Nun ist die Frage, was macht man mit dieser Information? 

Nach wie vor ist klar, dass eine Kinderwunschbehandlung meistens mit enormen Stress verbunden ist und abschalten kann man diesen Stress eben auch nicht. 

Was sich aber machen lässt, das ist ein offener Umfang damit. Besonders für sich selbst. Dass man also nicht versucht den Stress zu verdrängen oder zu ignorieren, sondern versucht die Zeit der Kinderwunschbehandlung und den damit zusammenhängenden Stress aktiv zu gestalten. Hier kann es zum Beispiel hilfreich sein schöne Dinge einzuplanen, eine Entspannungstechnik zu lernen und so dem Stress etwas entgegenzusetzen. Hat man dann doch einmal einen Durchhänger, weiss man schon viel besser, wie man aus dem seelischen Tief wieder rauskommt. 

Im Beitragsbild habe ich dir 30 Dinge zusammengetragen, die sich als kleine Stress-Auszeit anbieten. 

P.S.: Hier findest Du die Studien auf S.59 unter den Punkten 4.3.2.8 und 4.3.2.9.

Leitlinie Psychosomatisch orientierte Diagnostik und Therapie bei Fertilitätsstörungen

Die nächste Podcast-Folge gibt es dann im Januar.

Ich wünsche dir ein wundervolles Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Alles Liebe,
Katharina

About the Author Katharina Jozefak

Diplompädagogin und

Kinderwunsch-Expertin 

Über meinen Weg zum Wunschkind habe ich 2019 das Buch "Der Weg zum Wunder - Wissen, das ich gerne früher gehabt hätte" veröffentlicht.

    • Liebe Julia, Ich denke man kann den Erfolg oder Misserfolg bei einer Kinderwunschbehandlung nie auf einen einzigen Faktor beziehen (ausser es ist das Einzige das nicht passt, wie z.B. verschlossene Eileiter). Stress ist dann natürlich auch noch ein höchst subjektiver Punkt. Das macht Studien hier auch sehr schwer. Was sich aber bei einer ganzen Reihe von Studien herausgestellt hat ist, dass Hilfestellungen, die den Stress aktiv reduzieren können, wie z.B. Akupunktur, Meditation und andere Entspannungsverfahren durchaus einen positiven Effekt auf die Erfolgswahrscheinlichkeit haben. Hier sehe ich auch den Unterschied zu den üblichen “Stress-Studien”: Dort wird oft nur geschaut, ob der Stress insgesamt einen negativen Effekt hat und das wird dann auch noch an Befragungen zum Stresslevel festgemacht. Solche Befragungen haben aber sowieso schon eine große Fehlerquote, denn Stress lässt sich einfach schlecht vergleichen.
      Die Studien bei denen ein positiver Einfluss gefunden wurde haben eines gemeinsam. Sie suchen nach Lösungen und bieten Hilfestellungen an und das scheint dann auf jeden Fall auch einen Effekt auf die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit zu haben.

      Ich finde, dass dieser Umstand Mut macht, denn man ist dem Stress, den es bei jeder Kinderwunschbehandlung gibt, nicht hilflos ausgeliefert, sondern kann Dinge tun, die den Körper unterstützen und die Chancen auf eine Schwangerschaft erhöhen.

      Hab schöne Weihnachtstage und liebe Grüße,
      Katharina

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